Viele Frauen, die mit ihrer Kaiserschnittnarbe das erste Mal in meine Praxis kommen und mir diese zeigen, erzählen mir ihre persönliche Geschichte der Geburt ihres Kindes. Oftmals ist die Geburt nicht so verlaufen, wie sie sich das in Gedanken während der Schwangerschaft vorgestellt haben.
Manchmal ging alles sehr schnell und sie kamen gar nicht dazu lange nachzudenken. Sie wurden rasch in den OP-Saal geschoben, da nunmal das Kindswohl an erster Stelle lag und es keine Zeit zu verlieren galt.
Die freudige Erwartung, das angespannte Gefühl, wie wird es wohl sein, mein Kind das erste Mal in den Händen zu halten, all das ist dann aber anders eingetreten und das Kind wurde zwar oft zum Bonding der Mutter an die Brust gelegt oder nur gezeigt und mit dem Vater dann erstversorgt. Auch für die frischgebackenen Väter ist es eine komplett neue Situation mit ihrem Kind den Erstkontakt zu haben, während ihre Frau gerade noch medizinisch versorgt und genäht wird.
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, man hat das Gefühl es vergehen Stunden bis die Gewebeschichten fertig versorgt sind und man wieder zurück auf die Station verlegt wird. Man denkt sich wieviele Schichten gibt es denn da, dass es so lange dauert, man wünscht sich ja nichts sehnlicher als sein Kind selbst in den Händen zu halten und zu versorgen.
Und genau an diesem Punkt setzt die Narbentherapie an. Sie sehen ihre oberflächliche Narbe, aber das ist nur eine der vielen Schichten ihrer Haut, die genäht wurde.
Wie sieht sie aus, ihre Narbe? Was steckt darin? Was an deinen Gefühlen ist in diesem kleinen Schnitt wohl gespeichert?
Eine kleine dünne oder dicke, wulstige oder gerötete Narbe ist von Tag der Geburt übrig geblieben. Man ist glücklich, dass das Kind und man selbst wohlauf ist aber den Spruch: “ Man vergisst eh alles, sonst gäbe es keine zweiten oder dritten Kinder.“ kann man nicht so richtig glauben.
Oftmals müssen die Väter die ersten Tage sehr viel unterstützend zur Seite stehen und mithelfen um das Kind zu versorgen. Man muss sich selbst eingestehen, dass der Kaiserschnitt sehr wohl eine Operation ist, von der man sich erholen muss. Man kann nicht so schnell, wie man gern würde… und das Gedankenkarussell neben dem Milcheinschuss dreht sich wieder weiter!
Unser Gewebe speichert alle unsere Traumen und Verletzungen. So kann es vorkommen, dass Patientinnen zu mir kommen, die ihre Narbe selbst nicht berühren können, ihr Partner schmiert sie vorsichtig täglich ein, aber selbst reicht die Kraft noch nicht aus, hinzugreifen.
Das ist völlig in Ordnung, geben sie sich Zeit.
Ich erlebe oft auch Mütter, die nach einem geplanten Kaiserschnitt zu mir kommen, wenn sich z.B. das Kind nicht drehen wollte und in Beckenendlage gelegen ist. Diese Frauen haben einen viel klareren Umgang mit ihren Gefühlen gegenüber der OP. Sie konnten sich oft gut auf die Situation vorbereiten und sind daher meistens gut in der Lage auch ihre Narbe zu berühren.
Warum ist es überhaupt wichtig eine Narbenbehandlung nach einer Operation zu machen?
Einerseits kann man das Gewebe in der Wundheilungsphase unterstützen, dies hat einen positiven Einfluss auf die Optik der Narbe. Die Narbe wird mobilisiert und daher nicht wulstig.
Andererseits wenn sie noch einmal schwanger werden möchten, muss sich das Gewebe um die Gebärmutter wieder dehnen können und das tut es bestimmt besser, wenn es gut durchblutet ist und die einzelnen Gewebeschichten nicht verklebt sind.
Durch die Narbentherapie im Rahmen der Physiotherapie wird ihre Narbe leicht mobilisiert, sodass sie wieder besser durchblutet wird. Oftmals fühlt sich die Narbe an manchen Stellen taub an, hier kann auch ein Magnetstäbchen helfen in den tieferen Schichten für mehr Durchblutung zu sorgen.
Sobald man sich seiner Narbe widmet, passiert etwas mit einem. Man ist im Begriff etwas für sich zu tun, man sorgt für sich und das ist gut so.
Stück für Stück, so kann ich es aus meinen vielen Einheiten mit den unterschiedlichsten Patientinnen berichten, lösen sich Verhärtungen, Taubheitsgefühle und vor allem fühlt sich das Gewebe wieder leichter an.